Unter den Spitzenwinzern in Montalcino ist Giancarlo Pacenti der zuverlässigste – seine Weine sind von einer faszinierend gleichbleibenden Qualität. Das liegt an seiner akribischen Weinbergsarbeit. Er ist derjenige, der den größten Aufwand betreibt in Montalcino. Aufmerksame Winzer in seinem Umfeld bewundern ihn dafür. Immer weiß er genau was zu tun ist. Er scheut keine Einsatzbereitschaft. Im schwierigen Jahrgang 2014 investierte er 700 Arbeitsstunden in jeden Hektar, während die meisten »Normalwinzer« gerade mal auf 150 Stunden kamen und sich auch nicht mehr leisten können! Der Unterschied in den Reben war für jeden leicht erkennbar. Giancarlo interessiert nur die optimale Traubenqualität. Dem Benvenuto sah Giancarlo Pacenti gelassen entgegen, denn er nahm nicht teil. Wer seine Weine verkosten wollte, musste sich schon zu seinem Gut Pelagrilli begeben. Musterflaschen für Journalisten verschickt er schon lange nicht mehr. Vielleicht waren seine Weine auch deshalb nicht bei Monica Larners Artikel im Wine Advocate berücksichtigt. Dabei ist der Jahrgang 2010 für Giancarlo Pacenti ein ganz besonderer. Bereits im vorausgegangenen Jahr, während des Benvenuto, durften wir zum Abendessen bei Giancarlo und seiner Frau Claudia den 2010er Vecchie Vigne gemeinsam mit seinem beratenden Oenologen Eric Boissenot verkosten und bestaunen. Bordeaux-Liebhabern wird der Name Boissenot wohlklingend im Ohr liegen. Der verstorbene Jacques Boissenot beriet mit seinem Sohn Eric über 70 Châteaux in Bordeaux. Darunter alleine vier der fünf Premier Grand Crus der Klassifikation von 1855! Eric führt diese Aufgabe fort und macht bei Giancarlo Pacenti seit dem Jahrgang 2010 die Assemblagen. Er arbeitet mit einer unglaublichen Präzision. In langwierigen Verkostungen werden unterschiedliche Mischungen ausgelotet und zur feinsten Abstimmung zusammengestellt. Auf ein Gebinde mit 9.500 Litern bringt er dann beispielsweise noch 30 Liter Presswein des ersten Abzugs ein, um dem Rosso den finalen Kick zu verleihen! Mit den Rosso di Montalcino 2011 und 2012 konnte man schon eine neue Ausrichtung beobachten, der erste Brunello unter seiner Beratung ist eben der von 2010! Und mit dieser neuen, akribischen Perfektionierung stellt sich auch tatsächlich ein neuer Stil ein: die Weine sind deutlich offener, runder und wesentlich zugänglicher. Dabei behalten sie ihre Komplexität, Frische und Tiefe, sowie die exzellente Langlebigkeit dennoch bei. Zuvor wurde Giancarlo Pacenti vom berühmten Yves Glorie beraten. Der Professor von der Universität in Bordeaux galt als weltweit anerkannte Kapazität für Tannine. Bereits in den 90ern begann Giancarlo Pacenti eine 10jährige Studie mit Glorie zur Erforschung des optimalen Lesezeitpunktes für Sangiovese Grosso. Dabei schickte er ab dem Farbwechsel in periodischen Abständen Traubenhenkel mit gekühltem Eiltransport nach Bordeaux, um sie von Glorie analysieren zu lassen. Auch bei den Assemblagen legte Glorie Hand an. Allerdings galt sein Hauptaugenmerk der Langlebigkeit. Dass die Weine in ihrer Jugend oft unnahbar und verschlossen waren störte ihn keineswegs. Bei seinem Arbeitsumfeld in Bordeaux wird das ja eigentlich erwartet. Yves Glorie kam im Jahr 2009 unglücklicherweise bei einem Autounfall ums Leben.
Die 2010er sind nun deutlich zugänglicher, ihr Potenzial ist wieder sofort erkennbar. Natürlich brauchen auch diese Weine noch Zeit, bis sie sich vollends öffnen. Aber sie lassen einen Blick auf ihre majestätische Extraktion und kathedralenhafte Struktur zu. Sie begeistern mit unglaublichem Tiefgang und wundervoll weittragender Fruchtigkeit. Giancarlo und Eric erschufen mit dem Jahrgang 2010 wahrhafte Sangiovese-Monumente von epochaler Größe.
Beide Brunellos, Pelagrilli und Vecchie Vigne aus 2015, sind dabei jeweils die bislang besten, die Giancarlo je gemacht hatte.